Definition der konservativen Therapie des Lymphödems

Die Basistherapie des Lymphödems ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie, welche aus aufeinander abgestimmten therapeutischen Komponenten besteht:

  • Manuelle Lymphdrainage mit additiven manuellen Techniken.
  • Kompressionstherapie mit speziellen komprimierende Wechselverbänden und medizinischen Kompressionsstrümpfen.
  • Dem Allgemeinzustand adaptierter Sport-/Bewegungstherapie sowie bei Bedarf gezielte physiotherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsdefizite der Gliedmaßen.
  • Hautsanierung (Bekämpfung von Hautmykosen und bakteriellen Superinfektionen) sowie Prophylaxe der Reinfektionen mit Hautpflege (rückfettende, feuchtigkeitsspendende Dermatologika).

Als weitere Methoden der konservativen Therapie werden die apparative intermittierende Kompression (AIK/IPK), Lymphtaping, Lasertherapie und funktionelle Physiotherapie beschrieben.

Die Anwendung der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE)

Die KPE ist eine 2-Phasen-Therapie .Die Phase I bezweckt die Mobilisierung der erhöhten Gewebsflüssigkeit und hat als Ziel die Einleitung der Normalisierung der gestörten Homöostase im Interstitium. Die Phase II dient zur Konservierung des erzielten Therapieerfolges und Verhütung der Reödematisierung.

In der Phase I der Therapie kommen alle Komponenten der KPE hochdosiert, täglich 1-2x zum Einsatz; in Phase II - je nach Schweregrad des Krankheitsbildes, in welchem die Therapie eingeleitet wurde, können auch einzelne Maßnahmen wirksam sein. Festzuhalten ist, dass die KPE in ihrer Komplexität als eine effektive Therapiemethode beschrieben wird, die Wirksamkeit der einzelnen Komponenten bleibt jedoch unklar, die Literaturdaten sind widersprüchlich.

1. Manuelle Techniken der Lymphödembehandlung

Die manuelle Lymphdrainage ist eine Massagetechnik bestehend aus 4 Grundgriffen, mit welchen ein Dehnreiz auf die Haut und Subkutis ausgeübt wird. Durch die Dehnung der Lymphgefäßwände kommt es zur Steigerung der Lymphangiopulsation mit konsekutiver Zunahme der Lymphbildung und des Lymphflusses. Die manuelle Lymphdrainagen wird in der Regel von Physiotherapeuten durchgeführt, daher ist es abhängig vom Anwender.

Beginnt die Therapie im Stadium II oder III des Lymphödems, so sind ergänzende manuelle Techniken im Bereich der lymphostatischen Gewebsveränderungen indiziert:  Der Massagedruck ist viel intensiver und erreicht auch die Faszien.

Die therapeutische Bedeutung der alleinigen Anwendung der manuellen Techniken (manuelle Lymphdrainage und ergänzende Grifftechniken) ist dadurch erschwert, dass:

  • die Standardisierung der Grifftechniken fehlt,
  • die Randomisierung in den Studien nicht die Stadien des Lymphödems beachtet,
  • die Anzahl der Patienten zu gering ist,
  • die Beobachtungszeit zu kurz ist.

2. Kompressionstherapie

Ein Grundpfeiler der KPE bildet die Kompressionstherapie, welche über die konservative Lymphödembehandlung hinaus auch nach chirurgischen Maßnahmen in den meisten Fällen unverzichtbar ist. In Abhängigkeit vom Stadium des Lymphödems und Phase der Therapie unterscheiden wir mehrlagige lymphologische Wechselverbände und medizinische, nach Maß angefertigte, flachgestrickte Kompressionsstrümpfe. Die Wirksamkeit der angewandten Kompressionstherapie wird einerseits durch die mechanischen Eigenschaften zwischen komprimierenden Materialien und des zu komprimierenden Körperteils bestimmt (Interface-Druck; Stiffness). Die medizinischen Wirkungen der Kompressionstherapie:

  • Verdrängung der Flüssigkeit in den Gewebespalten,
  • Reduzierung des venösen Druckes und damit eine antiödematöse Wirkung,
  • Normalisierung einer pathologisch erhöhten Ultrafiltration mit konsekutiver Reduzierung der lymphpflichtigen Last,
  • Verstärkter Einstrom der Gewebsflüssigkeit in die Lymphkapillaren – Erhöhung der Lymphbildung, Erhöhung des Lymphflusses in die noch funktionierenden Lymphgefäße.

In zahlreichen Review-Artikeln wird die Wirksamkeit der Kompressionstherapie untersucht als alleinige Maßnahme, in Kombination mit Sporttherapie, in Kombination mit manuellen Techniken oder als Teil der KPE. Bei der Randomisierung der Studien wurde der Schweregrad des Lymphödems, in welchem die Therapie begonnen hat, nicht berücksichtigt, die Anzahl der Patienten war zu gering und die Beobachtungszeit zu kurz. In der Reduktion des Lymphödems zeigt sich ein Trend zugunsten der phasengerecht angewandten komplexen physikalischen Entstauungstherapie gegenüber der Anwendung einzelner – oder Teilkomponenten der KPE. Die Rolle der additiven, apparativen, intermittierenden Kompressionstherapie wird widersprüchlich beschrieben, wobei die Anzahl der Patienten zu gering war und Ödemschweregrade nicht berücksichtigt wurden.

3. Sporttherapie, Bewegung, Krankengymnastik

In Reviews wurde die Wirksamkeit der Bewegungs- und Sporttherapie als alleinige Maßnahme nicht bestätigt. Auf die positiven Effekte in Kombination mit Kompressionstherapie wurde allerdings hingewiesen. Durch gezielte Bewegung wird die Muskel- und Gelenkspumpe aktiviert mit folgender Wirkung: die Kontraktion der Skelettmuskulatur führt zu einer interstitiellen Druckänderung, welche sich auf die Lymphgefäßwand überträgt mit Konsequenz der Erhöhung der Lymphangiopulsation. Die tiefe Bauchatmung, unabhängig von der Körperlage, wirkt sich ebenfalls venös und lymphatisch Rückfluss-fördernd aus. Die Bewegungstherapie und sportlichen Aktivitäten bedeuten nicht nur eine hochwirksame Selbsttherapiemaßnahme, sondern haben insgesamt gesundheitsfördernde und positive psychologische Auswirkungen.

4. Hautsanierung und Hautpflege

Hautpflege ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie und sollte täglich erfolgen. Behandlungsbedürftige Erkrankungen der Haut sollten vor Einleitung der KPE therapiert werden. Typische Folgen des chronischen Lymphödems zeigen sich an der Haut. Dazu gehören Pachydermie, Hyperkeratosen, Lymphblässchen und Lymphfisteln.

Die Hautreinigung bedeutet in erster Linie die Entfernung von Schweiß, Talg und abgestoßenen Keratinozyten. Dazu sollten rückfettende Seifen oder Waschlösungen verwendet werden. In Hautfalten, wie z.B. unter großen Wammen sind Reinigungsprodukte mit antibakteriellen Zusätzen zu empfehlen. Parfumstoffe und Konservierungsmittel haben das Risiko von Sensibilisierungen und sind medizinisch nicht erforderlich.

Bei lokalen Infektionen der Haut, wie Mykosen, mikrobiellen Ekzemen oder Follikulitiden werden nach der Reinigung die entsprechenden Therapeutika aufgetragen. Bei tiefen Infektionen und / oder herabgesetzter Immunabwehr ist ggf. eine systemische Therapie erforderlich. Verrucae vulgares werden durch konsequente Entfernung der Hyperkeratosen behandelt. Das kann mechanisch durch Kurretagen, mit Vereisung, Tinkturen oder dem Laser erfolgen, wobei besonders auf Schonung der gesunden Haut zu achten ist und anschließend gut desinfiziert werden sollte.  Lymphfisteln sind regelmäßig zu desinfizieren und mit Polyvidonjod (PVP)  abzudecken.

Für die meist trockene Haut sollten im Sommer Cremes mit erhöhtem Fettanteil angewendet werden. Bei sehr trockener Haut können zur Nacht auch Salben aufgetragen werden. Die Lotion wirkt zwar angenehm kühlend und zieht schnell ein, ist aber auf Dauer austrocknend, Ausnahme sind Lipolotionen. Im Winter, wenn die Haut nicht so stark schwitzt kommen zusätzlich fettende Salbengrundlagen in Frage. Dabei ist auch auf die Lokalisation des Ödems zu achten.
Um die Feuchtigkeit und den Fettgehalt der Haut zu erhalten ist Glycerin ein wichtiger Inhaltsstoff. Gemeinsam mit Harnstoff ist ein Grundschutz der Haut zu erhalten. Harnstoff (Urea) hält die Feuchtigkeit, wirkt keratolytisch und in höheren Konzentrationen auch antibakteriell. Bei Hyperhidrose kann die Zugabe von Aluminiumoxyd sinnvoll sein. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr wird auch bei atopischer Dermatitis (Neurodermitis) die Zugabe von Triclosan (1-2%) empfohlen.

Hautverletzungen, insbesondere mit verzögerter Wundheilung, häufig mit Superinfektionen, führen zur Ödemverschlechterung oder zur Ödemmanifestation aus einem Latenzstadium.

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